Besuch der Gedenkstätte in Flossenbürg
oder warum ich so gerne Lehrerin der Johann-Daniel-
Preißler-Mittelschule bin
Am 6.12.2018 besuchten die Klassen 9a, 9b, 9Ma und 9Mb mit ihren
Klassenleitungen Frau Rauschenberger, Frau Mindykowski, Frau Grönewald
und mir die KZ-Gedenkstätte in Flossenbürg. Der Tag war regnerisch und kalt
und somit genau das richtige Wetter, um einen Ort wie diesen zu besuchen.
Als wir dort ankamen, warteten die Führerinnen schon auf uns. Jede Klasse
startete an einem anderen Ort der Gedenkstätte. Meine Schüler hörten
unserer Führerin zu und stellten ab und zu Fragen. Ich hatte aber trotzdem
nicht den Eindruck, als würde sie das Thema sonderlich beschäftigen. Aber da
hatte ich mich gewaltig gettäuscht. Als wir im Bus waren, schrieb mir einer
meiner Schüler:
Hallo Frau Schuster!
Wie leben Menschen weiter, die im KZ-Lager gearbeitet haben? Sie haben gehungert
und schwer gearbeitet und dennoch kein Essen und Trinken bekommen. Sie haben
sich mit vier Leuten ein ganzes Roggenbrot teilen müsse, das eine Woche reichen
musste. Was mich interessieren würde, wie haben diese Menschen nach solchen
Erfahrungen weitergelebt? Wurden sie psychisch krank? Wenn man so etwas sieht,
wie Menschen erhängt werden oder Tage lang stramm stehen müssen, dann noch
so heiß duschen müssen, dass ihnen die Haut verbrennt, dann so kalt, dass sie fast
sterben oder mit einem Feuerwehrschlauch geduscht werden. Wie wird man damit
fertig? Was passiert mit einem, wenn man Tage lang in einem Zug sitzt, aber nicht
mal weiß, wohin es geht. Wie verarbeitet man das, wenn man mit 1300 Menschen
in einer eiskalten Holzbarake leben muss und es nur vier Toiletten gibt? Wenn die
Leute mittlerweile schon auf den Boden kacken und pissen und durch ihren eigenen
Kot und Urin lebensgefährlich erkranken. Wie fühlt man sich, wenn man nicht mal
mehr mit seinem Namen angesprochen wird, sondern nur als Nummer? Und selbst
im Tod wird einem die Würde noch genommen, weil man aus deinem Mund den
Goldzahn zieht und daraus Schmuck gemacht wird. Was muss da in einem
Vorgehen? Wie kann man da noch weiter machen, wenn man das Alles miterlebt
hat? Es würde mich so sehr interessieren! Wenn man gesehen hat, dass ein
fünfjähriges Kind erhängt wurde, weil es Essen geklaut hat. Und weil es so leicht
war, der Todeskampf fünf Stunden dauerte! Wie kann man so etwas verkraften? Die
Ansichten von Hitler haben die Menschen kaputt gemacht. Er hat Juden, Sintis,
Romas, Behinderte, Homosexuelle, politische Gegner und Kriegsgefangene
geknechtet und gequält, nur weil sie nicht in seine Welt gepasst haben. Er hat sie für
sich schwer arbeiten lassen, ohne sie zu bezahlen, und ihnen nur vergammeltes
Gemüse als Suppe, die eh schon aus 80% Wasser bestand, zum Essen gegeben.
Wenn das einer überlebt hat und heute trotzdem noch lachen kann, dann steckt
hinter diesem Lachen ein sehr großes und ein hartes, ein sehr hartes Schicksal. Ich
hatte nie gedacht, dass es so schlimm war. Um ehrlich zu sein, hat mich dieses
Thema nicht interessiert. Manchmal habe ich sogar Witze gemacht und darüber
gelacht. Bei der Rückfahrt hatte ich das Gefühl, als hätten die Verstorbenen mir ihre
Geschichten selbst erzählt und zu mir gesprochen: „So haben wir gelebt und du
hast gelacht?“ Dieses Erlebnis werde ich nie vergessen, ich werde es später meinen
Kindern erzählen. Was hat Sie am meisten mitgenommen?
Ihr Leon C.
Es sind Nachrichten wie diese, die uns Lehrer unendlich glücklich machen, weil
sie uns zeigen, was für tolle junge Menschen wir unterrichten dürfen. Sie
hören besser zu, als wir oft vermuten. Und sie haben ein unglaublich großes
Herz. Danke!
Kerstin Schuster